15 Nov

Tomatito“ – die „kleine Tomate"

Im Gespräch mit der letzten Flamenco-Legende.
Denkt man an die ganz großen Namen im Flamenco, fallen einem automatisch Namen wie Paco de Lucia oder Camarón de la Isla ein. Beide Flamenco-Legenden standen in direktem Zusammenhang mit einem der letzten ganz Großen – Tomatito. Letztes Jahr gab  der Spanier noch ein ausverkauftes Konzert im Münchner Prinzregententheater, nun kehrt er zurück nach Bayern und spielt auf dem Internationalen Gitarrenfestival „Saitensprünge“ in Bad Aibling. In einem Gespräch mit dem Flamenco-Star wird schnell klar, was den Flamenco so besonders macht –
Sie gelten – zusammen mit Paco De Lucia – als einer der Erfinder des Flamenco Nuevo. Welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Flamenco Nuevo und dem Flamenco Clásico.
Im Flamenco ist und war schon alles erfunden. Paco hat es verbessert, er hat es aufgegriffen und raus in die Welt getragen. Der Flamenco Nuevo ist schon alt, das Konzept stammt von Mario Pacheco, Gründer der wunderbaren Plattenfirma „Nuevos Medios“, aber wir reden hier schon über eine Zeit von vor 30 Jahren oder mehr. Zu dieser Zeit begann man neue Klänge zum klassischen Format Gesang und Gitarre hinzuzufügen (Flauta, Geige, E-Bass etc.). Man begann neue Texte zu schreiben und griff nicht mehr nur auf traditionelle Texte zurück. Später erreichte die Musik dann ein breiteres Publikum, welches mit den eigentlichen Wurzeln nicht mehr vertraut war. Aber vor allem hat der neue Flamenco dem „Cante Jondo“ (spezifische Gesangstechnik) eine neue Bühne gegeben und ihm den Respekt gebracht, den er immer verdient hat.
Im November werden Sie auf dem Internationalen Gitarrenfestival Saitensprünge in Bad Aibling spielen. Welche Erfahrungen haben Sie mit deutschen und bayrischen Publikum gemacht?
Deutschland ist ja schon fast ein zweites Zuhause. Die letzten Jahre war ich viel in Deutschland und jedes Mal fühle ich mich wie zuhause. Das Publikum kennt und versteht was es sieht und hört. Auch wenn jemand nicht zwischen Solea und Seguiriya unterscheiden kann – man versteht, ob ich einen argentinischen Tango oder einen Rumba spiele. Wenn man die Texte nicht versteht, versteht man doch die Tiefe und die Aussage der Musik. Hier muss ich nichts erklären, die Musik ist eine universelle Sprache, die Gitarre spricht für sich selber.
Welche Fähigkeiten müsste der perfekte Gitarrist haben?
Den gibt es nicht. Der Kreative, der Künstler, der Interpret, der Erschaffer sucht niemals die Perfektion. Er sucht das Gleichgewicht zwischen Gefühl und Aktion. Für den Gitarristen konkret bedeutet dies eine tadellose Technik, ohne falsche Gefühle zu erzeugen oder das Herz des Publikums zu brechen, auch wenn er das Falseta (Solo-Einlage) nicht deutlich herausarbeitet. Perfektion ist generell ein gefährliches Wort. Jeder der behauptet sie erreicht zu haben, ist gescheitert.
Ihr Name bedeutet „Kleine Tomate“ – woher stammt dieser Name?
Viele Flamenco-Musiker und Gypsies haben einen Spitznamen, für den sie bekannt sind. Ich wurde „die kleine Tomate“ genannt, weil mein Großvater rund war und ein rotes Gesicht hatte. Camarón (de la Isla, auf Deutsch: „die Garnele“) war blond und dünn, daher erhielt er diesen Spitznamen. Die Namen haben oft mit Essen zu tun… ein befreundeter Sänger dem ich nahe stand wurde „Malashechuras“ genannt – „der hässliche Junge“.
In ihrem Konzert in Bad Aibling werden Sie nicht Solo spielen, sondern mit anderen Musikern zusammen. Was kann man erwarten?
Dieses Mal spielen wir mit einer gemischten Gruppe, es wird also ein Mischung aus altem und neuen Material. Ich habe zwei fantastische Sänger dabei, daher werden wir uns in Bad Aibling auf den Gesang und die Gitarre fokussieren. Der Flamenco hat einen hohen Stellenwert in Deutschland und ich hatte immer den Eindruck, dass das Publikum sich auf die Musik einlässt und vor allem viel davon versteht, was sie hören oder sehen. Für mich ist das super und ich freue mich auf einer Veranstaltung zu spielen, die sich auf die Gitarre fokussiert hat.
In Bayern haben wir auch eine ausgeprägte Kultur traditioneller Musik – Wieso müssen sich progressive Musiker teilweise immer noch verteidigen?
Diese Schlacht ist bereits geschlagen. Derjenige, der neue Wege geht, hinterfragt immer das, was davor bestand. Es ist Zeit zu akzeptieren, dass alles, was es in der Musik gibt, eine logische Konsequenz dessen ist, was es zuvor gab.
Wie sehen Sie die Zukunft des Flamencos?
Es gibt tausende junge Musiker, die fantastische Dinge mit der Gitarre machen. Es gibt viele tolle Talente in diesem Land, auch im Ausland. Ich kann von einer Falseta auf der Straße genauso viel lernen, wie von dem berühmten Flamenco-Gitarristen Sabicas und mir würde es gefallen, wenn ich für einige Musiker der jüngeren Generationen neue Türen geöffnet habe. Dass sie spüren, dass die Gitarre und auch der Flamenco selber universell sind. Gitanos und Payos, wir wissen beide, dass Erfolg nicht möglich ist ohne harter Arbeit und Hingabe. Es ist genug Platz für Alle da, die etwas erreichen möchten.
Dass harte Arbeit aber vor allem viel Hingabe in Ihrer Musik steckt, wird man auch in Ihrem Konzert in Bad Aibling sehen – wir freuen uns auf das Konzert!
Vielen Dank für das Gespräch!